Fokus und Prioritäten

Ich hätte schon lange...

Eines der Themen, das mir am wichtigsten ist. Ich habe gerade die Netflix-Doku „Der Fall Alex Schwazer“ fertig gesehen und gewusst, dass ist jetzt der richtige Zeitpunkt, mich an diesen Beitrag zu setzen. Die Doku an sich ist schon interessant, aber wenn ihr nach diesem Beitrag vielleicht in diese Dokumentation schaut, konzentriert euch vor allem auf den Menschen Alex Schwazer. Wie er seinen Fokus setzt und wie sich sein Fokus mit der Änderung seines Umfeldes und der Umstände verschiebt.

Jeder hört immer wieder den Satz „Konzentriere dich doch bitte mal“, was eigentlich nichts anderes heisst als setz deinen aktuellen Fokus auf dieses oder jenes Thema. Ob bei der Arbeit, der Schule, dem Studium, dem Sport oder anderswo, es heisst immer konzentriere dich! Zu diesem Thema darf nicht verschwiegen werden, dass die Konzentration auf einen Zustand auch negativ werden kann. Wer regelmässig im Fitnesscenter trainiert oder Bergwanderungen unternimmt kennt die Situation. Irgendwann kommt der Moment, wenn man nicht mehr kann. In diesem Moment kommt mir immer wieder der Satz meiner Exfrau in den Sinn: „Das ist nur in deinem Kopf“. Und sie hat recht. Der Kopf (immer wieder auch als innerer Schweinehund bezeichnet), versucht dir irgendwann zu sagen, es reicht jetzt. Dein Körper kann jedoch noch einiges mehr leisten, du musst nur deinen Kopf überlisten. Ich sage mir den genannten Satz immer wieder, wenn ich an meine scheinbaren Grenzen stosse und das funktioniert erstaunlich gut und ich kann immer noch ein wenig mehr aus meinem Körper holen.

Geht es euch manchmal auch so, dass ihr in ruhigen Momenten z. Bsp. einem Spaziergang, einer Fahrt mit der ÖV, einem Feierabendbier auf eurem Balkon, beim Versuch einzuschlafen und ähnlichem euren Kopf nicht mehr ruhig bekommt. Ich sollte noch dieses und jenes erledigen, an das muss ich noch denken und der Haushalt, das normale Tagesgeschäft halt, will auch noch erledigt werden. Die Aufgaben und Pendenzen fangen an sich zu türmen und scheinen nicht mehr bewältigbar zu sein in der Zeit, die euch einerseits zur Verfügung steht und ihr andererseits zur Verfügung stellen wollt. Mir geht es jedenfalls so. Nach dieser Erkenntnis folgten bei mir mehrere Schritte, bis ich bei meinem aktuellen System anlangte, welches für mich im Moment zu funktionieren scheint, obwohl ich weiss, dass da noch mehr Schritte folgen werden.

Der erste Schritt war, als die „To do Listen“ aufkamen, jeder musste seine „To do Liste“ haben, denn das war angesagt. Ich habe mir also eine passende App für meinen Notebook gesucht und angefangen, alle Dinge, die ich erledigen will, in diese einzutragen. Diese Methode hatte aber auch Nachteile. Man sah den grossen Berg an Aufgaben plötzlich auch visuell vor sich und das kann sehr demotivierend sein. Weiter hatte diese Liste die dumme Eigenschaft, dass sie schneller wuchs, als man sie abarbeiten konnte. Die Motivation sank noch schneller. Und zu guter Letzt förderte sie auch eine negative Eigenschaft eines jeden Menschen zu Tage: es ist einfacher und schneller, eine Aufgabe in diese Liste einzutragen als sie einfach zu erledigen. Und wenn ich mich aufraffte und anfing, den einen oder anderen Punkt der To do Liste zu erledigen, folgte ich einer weiteren, normalen, Neigung des Menschen: Ich erledigte die Aufgaben, welche ich einerseits gerne mache und andererseits einfach zu erledigen sind zuerst. Da diese Aufgaben nun nicht unbedingt den Aufgaben entsprechen, die man eigentlich mit Priorität besser schneller erledigt als die Bequemen, taugt das reine To do-System so nicht. Mensch bleibt eben Mensch.

Der zweite Schritt war dann der „Quick win“ Hype. Erledige alle Aufgaben, die in sehr kurzer Zeit zu erledigen sind und einen Gewinn (Besserung) bringen als erstes. Immerhin half das, den Berg an Aufgaben etwas schrumpfen zu lassen und gab immer wieder kleine Motivationsschübe, war also eine Verbesserung. Das Grundproblem blieb jedoch bestehen. Bisher war noch keine Einteilung der Pendenzen nach Wichtigkeit oder Dringlichkeit erfolgt.

Ich wurde mir langsam bewusst, dass ich, ob all dieser anstehenden Pendenzen, keinen Fokus hatte, respektive diesen verloren hatte. Wenn mir also wieder der Kopf raucht und ich mit der Liste nicht mehr klarkomme, lege ich einen „Fokus Moment“ ein. Dass sind diese Momente, wo ich mir unabhängig von der To do-Liste die Frage stelle, was ist im Moment wichtig für mich, welche Situationen in denen ich mich aktuell befinde, schmerzen mich am meisten, was macht mich im Moment unglücklich. So definiere ich einige aktuell relevanten Fokusthemen. Als nächstes gehe ich die Pendenzenliste durch und ordne Pendenzen, soweit möglich einem dieser Fokuspunkte zu. Es werden noch einige Pendenzen offenbleiben, die sich keinem meiner Foki zuordnen lassen. Diese Restliste bezeichne ich aktuell als Chaosliste (eleganter Backlog genannt) und beachte sie im Moment nicht weiter.

Zu beachten beim Setzen der Fokusthemen ist, dass ich mich, wie auch mein Umfeld und meine aktuelle Situation sich laufend verändern und ich so evtl. gesetzte Zuordnungen neu definieren muss.

Wie finde ich nun am besten diese Foki, die aktuell gerade relevant sind. Ich habe für mich ein einfache 3-Punkte-System entwickelt, mit denen ich aktuelle Situationen und Umstände klassifiziere.

Die Situation / Der Umstand (entspricht einem Fokus) …

tut mir weh (ich verliere an Image/Ansehen, ich mache eine wichtige Person unglücklich, ich komme bei irgendwelchen Kreditoren auf die schwarze Liste, ich verliere den Versicherungsschutz und ähnliche Dinge).

kostet mich Geld (Rechnung nicht bezahlt, es folgen Mahngebühren. Unnötige Abbos nicht gekündigt, diese laufen weiter und müssen bezahlt werden. Zu kostenintensive Abbos oder Versicherung gewählt, ich bezahle zu viel, ohne wichtigen Mehrleistungen. Bei fehlender Erwerbstätigkeit bezahle ich keine AHV-Beiträge, mir gehen Beitragsjahre verloren etc.)

macht mich unglücklich/unzufrieden (Die Wohnung sieht aus wie ein Schweinestall und müsste gemacht werden. Die Steuererklärung ist immer noch nicht fertig und schlägt aufs Gemüt. Eine längst fällige Aussprache mit einer mir nahestehenden Person ist überfällig und belastet mich. Ich habe schon wieder ein Training ausgelassen und mein Gewissen meldet sich. Die Abstimmungsunterlagen liegen auf dem Tisch und sind immer noch nicht ausgefüllt und abgeschickt etc.)

Die ermittelten Foki müssen nun in eine Reihenfolge gebracht werden. Dies mache ich in meinem System nach Gefühl, wobei ich bei den Foki auf Dringlichkeit und Wichtigkeit achte. Die Dringlichkeit eines Fokus/einer Aufgabe bezeichnet die Notwendigkeit diese zu erledigen, um negative Auswirkungen auf meine aktuelle Situation zu vermeiden. Die Dringlichkeit bezieht sich auf den Zeitfaktor. Die Wichtigkeit ist der Einfluss eines Fokus/einer Aufgabe auf das angestrebte Ziel, die Erledigung der Aufgabe. Die Wichtigkeit bezieht sich auf die Zielerreichung unabhängig des Zeitfaktors.

Pro Tag nehme ich mir nun 1-3 Foki vor und erledige, die zugehörigen Aufgaben/Pendenzen.

Zum Abschluss möchte ich noch auf etwas aufmerksam machen, auf das ich im Internet getroffen bin und den Nagel auf den Kopf trifft. Es nennt sich „das Shiny Objects Syndrom“. Dieses Syndrom bezeichnet die Tendenz, sich durch neue und aufregende Projekte und Ideen ablenken zu lassen und den Fokus auf die wesentlichen und aktuell wichtigen Dinge zu verlieren. Diese Shiny Objects sind spannend und verlockend, also eigentliche Verführer, sie verlocken uns zu einem ständigen hin- und herspringen zwischen verschiedenen Aufgaben und Ideen, ohne eine Sache konsequent zu Ende zu bringen. Auch wenn es schwierig ist, sich dieser Regel zu entziehen, man sollte es dennoch tun. Notiert euch die Ideen in einer Liste mit zukünftigen Vorhaben, für welche aktuell einfach die Zeit und Energie fehlen. Man bedenke dabei auch, dass das Multitasking ein sehr effizienter Effizienzkiller ist und am Ende unzufrieden und unglücklich macht.

In diesem Sinne: Fokussiert euch und freut euch über jede erledigte Aufgabe.

Wer es gerne etwas professioneller haben möchte, kann auch das Eisenhower-Schema beim Klassifizieren der Foki anwenden. Hierbei wird nicht auf einen Fokus abgestützt, sondern die einzelnen Aufgaben werden jede für sich mit einer der folgenden Etiketten markiert und es ergibt sich automatisch eine entsprechende Reihenfolge.  

  1. Super-Aufgaben (wichtig und dringend): Das sind die Tätigkeiten, auf die es ankommt! Diese Aufgaben bringen dich deinen Zielen näher. Hier geht es um deine Karriere, berufliche Projekte, private Wünsche und Ziele.
  2. Sofort-Aufgaben (dringend aber nicht wichtig): Diese Aufgaben müssen schnell (asap) erledigt werden, sie sind dringend, aber im Gegensatz zu den Super-Aufgaben nicht wichtig.
  3. Später-Aufgaben (wichtig aber nicht dringend): Das sind im Normallfall die üblichen Routineaufgaben wie zum Beispiel das wöchentliche erledigen der Rechnungszahlungen. Schiebe diese Aufgaben trotzdem nicht auf die lange Bank, da sie sonst zu Sofort-Aufgaben werden und Stress verursachen.
  4. Sinnlos-Aufgaben (weder wichtig noch dringend): Diese Aufgaben sind absolut irrelevant und können von der To do-Liste gestrichen werden. Die Erledigung dieser Aufgaben ist Zeitverschwendung. Den 11. Winterpulli zu kaufen, dient höchstens deiner persönlichen Befriedigung.

Im Zusammenhang mit dem Fokus gibt es allerdings auch eine Falle, in welche ich selbst auch schon getappt bin, da ich ein ausgesprochen fokussierter Mensch bin. Wenn man sich zum Beispiel bei der Arbeit zu fest fokussiert und sich ins Detail verbeisst, vermindert man gerne die Achtsamkeit, rsp. den Überblick auf die Umgebung, was dazu führt, dass man naheliegende Lösungen oder Fehler in der näheren Umgebung übersieht und so viel Arbeitszeit ohne Nutzen verstreichen lässt. Wie schon einige Male erwähnt, ist die ganze Welt ein ineinander verschachteltes, kybernetisches System. Bei einem kybernetischen System ändert man eine Kenngrösse bei der Eingabe und es verändert sich der Ausgabewert. In einem verschachtelten kybernetischem System entspricht der veränderte Ausgabewert oder Reaktion dem Eingabewert eines oder mehreren anderen kybernetischen Systeme, Wird dem nicht genügend Beachtung geschenkt, kann es passieren, dass es beim ändern des Eigabewertes eines Systems zwar das Problem innerhalb dieses Systems gelöst wird, es aber in einem der umgebenden Systeme „knallt“. Kernaussage lautet demnach: Auch bei grosser Fokussierung auf ein Problem nie die Übersicht über das Umfeld verlieren!

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